Welche Rolle spielen Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa?

Fragmentierung und geringe Reichweite können den Nutzen von Gewerkschaften einschränken

Warsaw School of Economics and Institute for Structural Research, Poland

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Relevanz des Themas

Staaten mit solide institutionalisierten Arbeitsbeziehungen und einem fest etablierten sozialen Dialog verfügen häufig über ein stabileres Wachstum und stärkeren sozialen Zusammenhalt. Die geringe Gewerkschaftsdichte und zersplitterte Tarifpraxis in Mittel- und Osteuropa birgt das Risiko, dass die Wettbewerbsfähigkeit leidet, demografische und makroökonomische Herausforderungen nicht adäquat bewältigt werden und der Aufholprozess gegenüber Westeuropa stockt. Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass es den Gewerkschaften sehr wohl gelingt, ihre Mitglieder angemessen zu vertreten und Lohnvorteile für sie zu erreichen.

Heute nur noch geringe Gewerkschaftsdichte
                        in Mittel- und Osteuropa

Wichtige Resultate

Pro

Kollektive Tarifverhandlungen führen auch in den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) zu höheren Löhnen, insbesondere für Beschäftigte mit mittlerer und höherer Qualifikation.

Die Gewerkschaften haben im Verlauf der Wirtschaftskrise 2008/2009 Arbeitnehmerinteressen sehr wirksam vertreten.

In vielen MOE-Staaten hat die EU-Integration den sozialen Dialog und die Rolle der verbliebenen Gewerkschaften gestärkt.

Die Zunahme atypischer Beschäftigung bietet den Gewerkschaften eine Chance, ihre Position und Wahrnehmung innerhalb der Zielgruppen zu verbessern.

Contra

Seit der Transformation zur Marktwirtschaft hat der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den MOE-Staaten stark abgenommen; die Gewerkschaften sind fragmentiert und eher schwach aufgestellt.

Die Reichweite kollektiver Tarifverhandlungen ist gering und erfasst primär Unternehmensebene und öffentlichen Sektor.

Der Anstieg atypischer Beschäftigung schwächt die Reichweite und Verhandlungsposition der Gewerkschaften.

In den MOE-Staaten sind unterschiedliche Modelle der Arbeitsbeziehungen anzutreffen; für Nicht-EU-Staaten liegen bislang kaum empirische Befunde vor.

Kernbotschaft des Autors

Nach der deutlichen Schwächung der Gewerkschaften in den Staaten Mittel- und Osteuropas in den 1990er Jahren gibt es Anzeichen für ihre Erstarkung. Zwar ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad ebenso wie die Reichweite von Tarifverträgen noch gering, doch die Lohnzuschläge infolge kollektiver Tarifverhandlungen haben zugenommen, und auch der Arbeitnehmerschutz wurde im Verlauf der Krise von 2008/2009 erfolgreich praktiziert. Ursächlich hierfür sind vor allem institutionelle Modernisierungen im Zuge des EU-Beitritts. Der Trend der gewerkschaftlichen Organisation ist angesichts sich wandelnder Märkte dennoch ungewiss. Von Politikmaßnahmen zur Stärkung von Sozialdialog und Arbeitsmarktinstitutionen könnten Beschäftigte, Arbeitgeber und Regierungen profitieren.

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