Natürliche Experimente in der Migrationsforschung

Daten zu unerwartet starken Flüchtlingsströmen können die Auswirkungen von Migration auf die Arbeitsmarktsituation Einheimischer plausibel identifizieren

Central Bank of the Republic of Turkey, and IZA, Germany

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Relevanz des Themas

Die kausale Wirkung von Zuwanderung auf die Jobaussichten einheimischer Arbeitskräfte zählt zu den Kernthemen der Migrationsforschung. Da Migranten im Normalfall selbst entscheiden, ob und wohin sie einwandern, weisen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in der Regel nicht die Merkmale einer Zufallsstichprobe auf. Anders verhält es sich bei plötzlichen Zuwanderungsströmen nach unerwarteten Ereignissen wie Bürgerkriegen und Naturkatastrophen, bei denen individuelle Merkmale und Präferenzen für die Wanderungsentscheidungen eine geringe Rolle spielen. Solche „natürlichen Experimente“ liefern Hinweise darauf, dass die Beschäftigung einheimischer Arbeitskräfte leicht zurückgeht, nicht aber das Lohnniveau.

Natürliche Experimente in der Migrationsforschung: Plötzliche, starke Flüchtlingszuströme

Wichtige Resultate

Pro

Flüchtlingsströme sind in der Regel nicht durch persönliche Präferenzen hinsichtlich Wohnort und Beschäftigung motiviert.

Durch Flüchtlingsströme kommen Einwanderer in großer Zahl innerhalb kurzer Zeit.

Die Flüchtlingsunterbringung im Aufnahmeland wird in der Regel staatlich organisiert und richtet sich nach dem Sicherheitsbedarf sowie logistischen und sozialen Belangen.

Aus Sicht des Aufnahmelandes sind Flüchtlingsströme meist unerwartete Ereignisse, sogenannte „Einwanderungsschocks“.

Contra

Flüchtlingszuströme in bestimmte Regionen können interne Migrationsbewegungen einheimischer Arbeitskräfte auslösen, was zu neuen Selektivitätsproblemen führt.

Das Qualifikationsprofil der Flüchtlinge beeinflusst deren Effekt auf einheimische Beschäftigung.

Die Aufnahmefähigkeit der lokalen Arbeitsmärkte hängt auch von der bestehenden Zuwandererstruktur im Land ab.

Längerfristig wird die Arbeitsmarktverteilung der Flüchtlingspopulation durch die relativen Verdienstaussichten unterschiedlicher Tätigkeiten mitbestimmt.

Kernbotschaft des Autors

In vielen Ländern wächst die Sorge, dass sich vermehrte Einwanderung negativ auf Beschäftigung und Löhne der einheimischen Arbeitskräfte auswirkt. Die Schätzung kausaler Effekte wird dadurch erschwert, dass die Migrationsentscheidung in der Regel nicht zufällig erfolgt. Natürliche Experimente wie plötzliche größere Flüchtlingsströme bieten eine alternative Datengrundlage. Deren Analyse legt nahe, dass die Effekte meist kurzfristiger Natur sind, da sich die lokalen Arbeitsmärkte auf lange Sicht tendenziell anpassen. Die Politik sollte daher auf gezielte arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen zur Flüchtlingsintegration setzen.

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