Fördert ein gemeinsames Sorgerecht das Familienwohl?

Sorgerechtsregelungen betreffen nicht nur geschiedene, sondern auch intakte Familien

University of Innsbruck, Austria, and IZA, Germany

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Relevanz des Themas

Die gesetzlichen Regelungen des Sorgerechts in Scheidungsfamilien haben sich seit den 1970er Jahren stark verändert. Traditionell wurde einem Elternteil – in der Regel der Mutter – das alleinige Sorgerecht für das Kind übertragen. Heute teilen sich viele geschiedene Paare weiterhin die elterlichen Rechte und Pflichten im Rahmen eines gemeinsamen Sorgerechts, was insbesondere die Situation geschiedener Väter verbessert hat. Neuere empirische Untersuchungen haben jedoch neben den beabsichtigten auch diverse unbeabsichtigte Folgen des gemeinsamen Sorgerechts mit Blick auf Familiengründung, Erwerbsbeteiligung, Suizid, häusliche Gewalt und kindliche Entwicklung dokumentiert.

Gemeinsames Sorgerecht senkt die Suizidrate bei Männern deutlich (Schätzungen für die USA)

Wichtige Resultate

Pro

Sorgerechtsreformen haben die Heiratsraten gesteigert, insbesondere unter bereits Geschiedenen und Personen ab 35 Jahren.

Die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts hat insgesamt die Geburtenraten erhöht und den Anteil außerehelicher Kinder verringert.

Das gemeinsame Sorgerecht hat die Suizidraten bei Männern langfristig um etwa 9% gesenkt.

Häusliche Gewalt ist durch das gemeinsame Sorgerecht zurückgegangen.

Scheidungskinder haben tendenziell einen höheren Bildungsabschluss, wenn sich die Eltern das Sorgerecht teilen.

Contra

Die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts fördert die traditionelle familiäre Arbeitsteilung und stärkt die männliche Verhandlungsposition bei der haushaltsinternen Ressourcenverteilung.

Es gibt Hinweise darauf, dass das gemeinsame Sorgerecht die Scheidungsrate erhöht.

Gemeinsames Sorgerecht reduziert die Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Auf die Suizidrate bei Frauen hat das gemeinsame Sorgerecht keine langfristigen Auswirkungen.

In US-Bundesstaaten, die gemeinsames Sorgerecht eingeführt haben, sind die Bildungs- und Arbeitsmarkterfolge von Kindern insgesamt – und solchen aus intakten Familien – geringer.

Kernbotschaft des Autors

Das gemeinsame Sorgerecht stärkt die Verhandlungsmacht von Ehemännern und verändert die Ressourcenverteilung innerhalb des Haushalts. Empirische Studien deuten darauf hin, dass die traditionelle Rollenverteilung gefördert wird, was positive wie negative Effekte hat. Einerseits steigen Heirats- und Geburtenraten, die Suizidrate bei Männern nimmt ab, und häusliche Gewalt geht zurück. Andererseits sinkt die weibliche Erwerbsbeteiligung, und die Kinder haben im Durchschnitt geringere Bildungs- und Arbeitsmarkterfolge. Politische Entscheider sollten sich bewusst sein, dass sich Scheidungsregelungen auch auf intakte Familien auswirken können. Diese unbeabsichtigten Nebeneffekte gilt es zu minimieren.

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